Ihr Radgeschäft und ihre Leidenschaft
Ich kann mich noch genau erinnern, als wäre es gestern gewesen. Ich springe die zwei Stufen hinauf und stehe im Geschäft. Rund um mich herum Metall und Gummi – Fahrräder wohin das Auge reicht. Und gerade aus, der schummrig beleuchtete hintere Bereich des Geschäftes: die Werkstätte. Hat mich wohl deshalb so richtig magisch angezogen, weil ich dort nie hinein durfte. Und schon kommt mir eine Dame mit einem strahlenden Lächeln entgegen.
Zurück in die Gegenwart: Ich besuche genau diese Dame, die mir vor Jahrzehnten so oft zugelächelt hat. Christine Mansberger steht bei ihrem Fahrrad und beginnt zu erzählen. Ihre Augen beginnen zu glänzen, wenn sie über ihr ehemaliges Fahrradgeschäft in der Herzog Leopold-Straße spricht. „Es war nicht meines, es war unseres“, korrigiert sie mich gleich. Gemeinsam mit ihrem Mann Friedrich und später mit ihrer Tochter Elisabeth hat sie mehrere Generationen ihrer Kundinnen und Kunden aufs passende Fahrrad gebracht. Ich selbst war einer der vielen davon.
Der Griff in die Lade
„Mit meinem ersten selbst verdienten Geld hab ich mir ein Fahrrad gekauft. Gemeinsam mit meinen Freundinnen bin ich gleich damit zum Neufelder See geradelt. Der Hintern hat wegen dem harten Sattel so richtig gebrannt“, erinnert sie sich schmunzelnd zurück. Mit 19 Jahren stieg sie dann ins 1946 gegründete Radgeschäft ihres Mannes ein. „Ich habe alles von der Pike auf gelernt – mein Mann war ein echter Fachmann und streng noch dazu. Ich habe alles gemacht: Vom Einkauf über Reparaturen bis zum Verkauf.“
Die Konkurrenz war damals übrigens groß: 6 bis 7 Fahrradhändler gab es in den 50 und 60er Jahren. Mansberger: „Wir waren immer die, die sich als Erste über Neues getraut haben – BMX-Fahrräder zum Beispiel. Wir haben auch für jede Kleinigkeit in die Lade gegriffen. Das Prinzip meines Mannes lautete immer: Wir leben von allen. Dementsprechend reichte unsere Kundschaft auch quer durch den Gemüsegarten. Viele Familien sind uns über zwei, drei Jahrzehnte treu geblieben.“ Und zu vielen hat die zweifache Mutter und dreifache Oma immer noch einen sehr guten Draht. „Ich werde jetzt noch sehr oft daran angesprochen, das freut mich natürlich.“
Kann sehr gut sein, dass sie die Zehnerviertlerin auch sehen. Wenn, dann wahrscheinlich am Fahrrad. Denn damit ist sie immer noch täglich unterwegs. Zum Einkaufen in die Stadt, zum Sozialmarkt, wo sie wöchentlich aushilft oder zu Turnkursen. „Ich könnte es mir ohne Fahrrad gar nicht vorstellen. Nur etwas mehr Rücksicht würde ich mir wünschen. Bei der Kreuzung bei der Feuerwehr in der Herrengasse ist so eine Stelle – dort werde ich sehr oft von Autos sehr knapp überholt.“
Und dort, wo es früher nach Metall und Gummi gerochen hat, duftet es jetzt nach Leder und Stoff. Tochter Elisabeth Statzinger hat die Räumlichkeiten in der Herzog Leopold-Straße umgebaut und gestaltet seit 1998 mit ihrem Geschäft „Exklusives Wohnen“ Lebensräume für Menschen, die das Besondere schätzen.
Text: Hannes Höller. Fotos & Video: Alexander Hawel, privat.
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