Der WNN-Energiexperte Martin Hesik, WNN 05/2014
Was zur Zeit, als ich noch Kind war, als undenkbar und schlicht als überflüssig erschien, ist heute vielerorts Realität: zwei Autos vor der Haustüre, pro Haushalt versteht sich. Der Motorisierungsgrad unserer heutigen Gesellschaft ist erstaunlich, ein Blick in unsere Siedlungen genügt, um das zu bestätigen. Eine Doppelgarage oder –carport muss es heutzutage schon sein.
Wundern braucht man sich ja nicht, wenn man sich vor Augen hält, was in den letzten Jahrzehnten in Österreich an Milliarden an Steuergeld in den Ausbau und die Optimierung der Auto-Infrastruktur geflossen ist. Auch gegenwärtig fällt in Österreich Natur in der Größenordnung von 10 Fussballfeldern dem Straßen– und Siedlungsbau täglich(!) zum Opfer.
Der Tisch fürs Autofahren ist also reichlich gedeckt. Und nichts ist unter diesen Rahmenbedingungen so bequem und komfortabel, wie in das Auto unmittelbar vor der Haustür einzusteigen und bis zum letzten Meter vor seinem Ziel zu fahren. Gerne darf dieser Komfort auch was kosten: Gemessen am Durchschnittseinkommen geht jeder von uns einen Tag in der Woche nur für sein Auto arbeiten.
Die Schattenseiten unseres „Autofetischs“: Die Auswirkungen auf unsere Raumstrukturen – Arbeitsplätze, Einkaufs-, Freizeitmöglichkeiten, usw. dezentralisieren sich stetig, die Funktionen entflechten sich und der Raum wird durch das Straßennetz „gedehnt“. Und damit sitzen wir nun alle in der „Autofalle“, denn mit diesen Strukturen ist es vielfach keine Frage mehr des Autofahren „wollens“, sondern des „müssens“. Diese Tendenzen sind auch in Wiener Neustadt erkennbar, wenn man zum Beispiel an die Entwicklung des „Speckgürtels“ am Stadtrand denkt. Gleichzeitig verfügt Wiener Neustadt aber noch immer über eine kompakte, gewachsene Siedlungsstruktur mit hoher Funktionsvielfalt. Leben und Alltag ohne (Zweit-)Auto ist in einer Stadt wie Wiener Neustadt gut möglich: Fürs Alltagsradeln ist die Stadt ideal, auf die Möglichkeiten und vielen Vorzüge weisen wir ja gerade in unserer Radkampagne „wn.radelt“ hin. Fürs Pendeln bietet der zentral gelegene Bahnhof (mit mehr als 1000 Radabstellplätzen) beste Verbindungen in alle Richtungen, dazu kommt das städtische Busnetz mit einem Halb-Stunden-Takt. Und wenn es wirklich mal nicht ohne (Zweit-)Auto gehen sollte, warten am Bahnhof Mietautos von carsharing.at: Autos nutzen statt besitzen, lautet hier die Devise. Bezahlt wird ein Stunden- oder Tagestarif (EUR 8,-/EUR 90,-) – bei einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung kostenmäßig unschlagbar und keine Sorgen zu Reparaturen, Reifen, Service, Vignette, Parkplatz, Benzinpreisen, usw. inkludiert.
Trauen auch Sie sich mal ernsthaft die Frage zu stellen, was Ihnen der Luxus Auto wirklich wert ist und stellen sie eine ehrliche Kostenrechnung an. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass mit einem Leben ohne (Zweit-)Auto der Mobilitätsalltag ganz sicher nicht bequemer wird, aber der Gewinn an Unabhängigkeit und bewussterer Wahrnehmung seines Wohnumfelds ein unschlagbar gutes Gefühl gibt. Und ganz sicher können auch Sie sich vorstellen, Ihr Geld für andere schöne Dinge des Lebens auszugeben.
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